Freitag, Dezember 03, 2010

 

Stehen Banken vor immensen Refinanzierungsaufgaben?

Interview: "Banken stehen vor immensen Refinanzierungsaufgaben" - Redaktion RISIKO MANAGER


KÖLN, 3.12.2010. Dr. Jochen Felsenheimer (Foto), Co-Head of Credit bei Assenagon Asset Management, erwartet im kommenden Jahr einen starken Anstieg der Volatilitäten an den Kreditmärkten. Die Finanzmärkte hätten in den vergangenen beiden Jahren enorm von der extrem expansiven Geld- und Fiskalpolitik profitiert. Damit nehme aber die Gefahr eines Rückschlags zu, insbesondere da die Verletzlichkeit des Finanzsystems weiterhin sehr hoch sei. Der hohe Refinanzierungsbedarf bei Banken, Staaten und Unternehmen werde letztlich zu einem Anstieg der Refinanzierungskosten führen. Für die Zeitschrift RISIKO MANAGER beantwortete Kreditrisikomanager Felsenheimer acht Fragen.

Wie sehen die Kreditmärkte 2011 aus?

Die Kreditmärkte haben stark von der extrem expansiven Geld- und Fiskalpolitik der letzen beiden Jahre profitiert. Die Gefahr eines Rückschlags nimmt natürlich sukzessive zu. Man muss hier gar nicht immer den schlimmsten Fall annehmen, also etwa eine Wiederholung der Vorgänge von 2008. Dennoch sollten sich die Anleger im kommenden Jahr auf einen starken Anstieg der Volatilitäten einstellen.

Wo liegen die Chancen und Risiken im Markt?

Die Chance ist darin zu sehen, dass Unternehmensanleihen vor dem Hintergrund maroder Staatsbilanzen weiterhin als "Safe-Haven" verstanden werden, also die Nachfrage hoch bleibt. Nachdem sich die Kreditvergabepolitik der Banken gerade auf gute Qualitäten fokussiert, haben diese keinen Anreiz sich Kapital am Anleihemarkt zu beschaffen. Die Primärmarktaktivität wird also weiterhin gering bleiben, wodurch eine starke Nachfrage auf ein geringes Angebot trifft. Rein technisch bleiben die Märkte also gut unterstützt, während sich das fundamentale Bild zunehmend verschlechtert.

Macht es Sinn, dass Unternehmensanleihen als weniger riskant eingestuft werden, als die Staaten, in denen diese Unternehmen beheimatet sind?

Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass marode Staatsbilanzen keinen Einfluss auf die Unternehmen haben werden. Bevor ein Staat in Zahlungsschwierigkeiten gerät, wird er alle Register ziehen, eben auch auf Kosten der Unternehmen. Die Bankensysteme in Europa und den USA sind weiterhin extrem fragil, während die Versicherungsbranche mit dem niedrigen Zinsniveau zu kämpfen hat. Und die Diskussionen bezüglich der Nachhaltigkeit der Europäischen Währungsunion werden auch in 2011 dominieren. All dies spricht für ansteigende Risikoaufschläge auch bei Unternehmensanleihen.

Wie groß schätzen Sie die Gefahr von „Tail Risks" ein?

Der exakte Auslöser einer Krise ist nur sehr schwer zu prognostizieren - einfacher ist es die Verletzlichkeit des Systems zu analysieren. Diese ist nach wie vor extrem hoch, was dafür spricht, dass ein externer Schock eine Situation wie in 2008 auslösen könnte. Zahlungsschwierigkeiten Spaniens, ein Meltdown im amerikanischen Gewerbeimmobilienmarkt oder ein Wachstumseinbruch in Asien wären solche potenzielle Schock-Events.

Wie wichtig ist der anhaltende Liquiditätszufluss durch die Notenbanken?

Die Zentralbanken befinden sich in einer schwierigen Situation. Einerseits wird die zusätzliche Liquidität nicht mehr an die Realwirtschaft weiter gegeben sondern versickert im Bankenmarkt. Andererseits wissen auch die Zentralbanken, dass das Bankensystem nicht vor einem Liquiditätsengpass, sondern vielmehr vor einem Kapitalengpass steht. Das fehlende Kapital führt dazu, dass sich die Banken am Markt refinanzieren bzw. Anleihen begeben müssen. Das erhöht aber die Kapitalkosten. Es wird den Notenbanken daher nichts anderes übrig bleiben als das System weiterhin mit Liquidität am Leben zu halten, auch wenn die Risiken dieser Politik und die offensichtliche Wirkungslosigkeit derselben nicht zu übersehen sind.

Wie werden sich die Spreads von Corporates zu Financials und zu Sovereigns entwickeln?

Natürlich macht es auf den ersten Blick wenig Sinn, wenn die Spreads eines Landes über denen des Bankensektors und diese wiederum über denen der Unternehmen handeln. Allerdings kann diese Situation aus technischen Gründen noch bestehen bleiben. Nichtsdestotrotz ist in 2011 mit einer hohen Korrelation zwischen den drei Marktsegmenten zu rechnen.

Erwarten Sie Haircuts bzw. Restrukturierungen in der Eurozone?

Ich denke, dass der Rettungsschirm im nächsten Jahr noch hält. Letztlich steigen allerdings die Kosten des Verbleibs in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion für einige Länder, womit ein Austritt wahrscheinlicher wird. Ein Austritt würde mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Restrukturierungsevent auslösen.

Welche Herausforderung stellt der hohe Refinanzierungsbedarf von Staaten bzw. dem Bankensektor 2011 für die Kreditmärkte dar?

Banken, Staaten und Unternehmen mit niedriger Kreditqualität buhlen in den nächsten Jahren um Investoren, da sie vor immensen Refinanzierungsvolumina stehen. Hinzu kommen US-amerikanische Kommunen und Gewerbeimmobilienfinanzierungen. Das heißt eine Vielzahl von Emittenten mit stark zunehmendem Refinanzierungsbedarf ist auf der Suche nach Investoren, die natürlich nur mit attraktiven Renditen bzw Spreadaufschlägen anzulocken sind. Letztlich werden die Refinanzierungskosten daher steigen. Besonders für hoch verschuldete Staaten wird diese Situation zur Belastung, aber eben auch für Banken, die vor dem Hintergrund neuer Regulierungsvorschriften wie Basel III vor immensen Refinanzierungsaufgaben stehen.


Die Fragen stellte Manuel Priego Thimmel.

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