Freitag, Dezember 17, 2010

 

Demografische Risiken nehmen bis 2050 dramatisch zu

Die Babyboomer gehen in Rente!

Deutschland, Tschechien, Italien und Österreich werden bis 2050 mit dem stärksten Arbeitskräfterückgang infolge des demografischen Wandels zu kämpfen haben. Zugleich wird die Anzahl der Arbeitskräfte mit Hochschulabschluss bis 2050 in Deutschland, Frankreich und Großbritannien am deutlichsten sinken. Unternehmen sollten daher ihre innerbetriebliche demografische Entwicklung bereits heute analysieren, um erhebliche Personalengpässe langfristig zu vermeiden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine internationale Studie der Unternehmensberatung Towers Watson, die für 15 Länder weltweit die Veränderungen der Altersstrukturen und der Größe des Arbeitnehmerpools bis 2050 prognostiziert.

Aus Sicht von Ratingagenturen muss der Alterung der Gesellschaft mit konzertierten politischen und fiskalischen Reformen begegnet werden. Andernfalls droht ein immenser Druck auf die öffentlichen Finanzen und das Länderrating. Standard & Poor's (S&P) analysiert beispielsweise die Risiken der Bevölkerungsalterung in 32 Staaten. Ohne Reformen würden die gesamten, mit dem Alterungsprozess der Bevölkerung zusammenhängenden öffentlichen Ausgaben bis 2050 von auf 23,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen, schätzt S&P-Analyst Kai Stukenbrock. Bei diesem Szenario würde das Haushaltsdefizit ab Mitte der 2020er Jahre deutlich steigen und bis 2050 rund 12 % des BIP erreichen. Die gesamte Staatsschuld würde dann bei 180 % des BIP liegen.

Grundproblem: Ein höheres Durchschnittsalter bei gleichzeitigem Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung – vor diesen neuen demografischen Herausforderungen werden viele Industriestaaten in den kommenden Jahrzehnten stehen. „Es bestehen deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, Regionen und Berufsfeldern“, weiß Sylvia Branke, Leiterin der Talent-Management-Beratung bei Towers Watson. In Europa sinkt die Anzahl der Erwerbstätigen insgesamt bis 2050 um rund 18 Prozent – stärker als in allen anderen betrachteten Regionen weltweit. Entsprechend der Hochrechnungen steigt hingegen die Arbeitskräftezahl in den USA um 10 Prozent, in Argentinien und Brasilien sogar um 36 bzw. 48 Prozent. Gründe dafür sind die niedrigen Geburtenraten in Europa sowie eine relativ hohe Immigrationsrate in den USA bzw. das starke Bevölkerungswachstum in Lateinamerika.

Im internationalen Vergleich wird deutlich, dass Deutschland besonders stark von der Reduktion des Arbeitskräftepools betroffen ist. So wird hier die Anzahl der Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss von 2009 bis 2049 um rund 3,2 Mio. (rund 21 Prozent) sinken. „Verschärft wird der Nachwuchsmangel dadurch, dass das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland bereits heute gut ausgeschöpft ist. Daher besteht nur wenig Spielraum, in wesentlichem Umfang weitere Arbeitskräfte innerhalb der eigenen Bevölkerung zu rekrutieren“, weiß Branke. Ähnlich gravierend zeigt sich die Situation in Großbritannien und Frankreich mit erwarteten 3 Mio. bzw. 2,3 Mio. weniger Arbeitskräften mit Hochschulabschluss in 2049. Argentinien, Brasilien und die USA werden hingegen über deutlich mehr Hochschulabsolventen auf dem Arbeitsmarkt verfügen. Allerdings muss sich erst zeigen, ob beispielsweise in Brasilien die Anzahl der Arbeitskräfte mit Hochschulabschluss proportional zum Bevölkerungswachstum steigt.

Erheblich älter wird die Bevölkerung künftig insbesondere in Deutschland, Italien und der Schweiz. Mit derzeit durchschnittlich 40 Jahren und bis 2049 mit durchschnittlich über 50 Jahren sind diese Landesbevölkerungen deutlich älter als ihre Nachbarn in Europa. Noch dramatischer zeigt sich die Situation in Ländern wie Polen und Tschechien. Sie verzeichnen zusätzlich zur Alterung der Bevölkerung noch eine starke Abwanderung erwerbstätiger Personen ins Ausland. Zum Vergleich: Auch das Durchschnittsalter in den USA und in Lateinamerika wird deutlich ansteigen. Jedoch wird hier die Bevölkerung insgesamt – und damit auch das Erwerbspersonenpotenzial – wachsen.


Unternehmen in Deutschland stehen durch die identifizierten demografischen Risiken vor großen Herausforderungen. Sie müssen in einem künftig durch Knappheit und stärkere Konkurrenz geprägten Arbeitsmarkt Personal rekrutieren. Es wird erheblich schwieriger sein, offene Stellen zu besetzen. Damit steht nicht nur die Weiterführung bestehender Unternehmensstrategien auf dem Spiel. Noch problematischer dürfte es unter diesen Vorzeichen sein, künftig geplante Wachstumsstrategien, die zusätzlichen Personalbedarf nach sich ziehen, umzusetzen. Angesichts dieser Knappheit gilt es, ältere Arbeitnehmer länger an das Unternehmen zu binden. Darüber hinaus werden – angesichts des Ruhestandsbeginns von zahlreichen älteren Arbeitnehmern – auch die Pensionslasten wachsen. Relevant ist diese Entwicklung vor allem im Rahmen der ersten Stufe der Risikoidentifikation im Unternehmen. Diese beginnt mit der Erfassung aller auf die Unternehmensziele wirkenden Risiken und die Entwicklungen eines unternehmensspezifischen Risikobaums. Die Frage nach den Problemen bei der Beschaffung von qualifiziertem Personal ergibt sich primär im Rahmen der Geschäftsrisiken (Corporate Governance).

„Unternehmen ist daher dringend anzuraten, die künftige Entwicklung ihrer Belegschaft in einer Demografieanalyse genau zu erheben“, meint Expertin Branke. Unternehmen sollten sich bereits jetzt die Fragen stellen, wie alt die Belegschaft in 30 oder 50 Jahren durchschnittlich sein wird oder ob Pensionierungswellen anstehen und sich somit bereits jetzt ein erhöhter Rekrutierungs- oder Qualifizierungsbedarf abzeichnet. Branke empfiehlt, dabei sowohl die externe als auch die unternehmensinterne Demografie im Auge zu behalten. „Ein hohes internes Durchschnittsalter in Berufsgruppen mit guter Verfügbarkeit am Markt kann sich beispielsweise als weniger problematisch erweisen als ein hohes Durchschnittsalter in einer Berufsgruppe mit schlechter Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt“, so Branke. Die Ergebnisse einer solchen Demografie-Analyse können z.B. nach Alters- und Qualifikationsgruppen, für Regionen innerhalb von Ländern oder im internationalen Vergleich detailliert aufbereitet werden. Unternehmen erhalten somit eine fundierte Übersicht über die Größe von Arbeitnehmermärkten und hilfreiche Ergebnisse für die weitere Personalplanung.

Auf Basis einer belastbaren Prognose der Belegschafts- und Personalbedarfsentwicklung gilt es dann, die langfristige Personalpolitik zu planen. So lassen sich z.B. über ein langfristiges Workforce-Planning, das Talent Management-Programme sowie eine gezielte Nachwuchsplanung umfasst, eventuelle Rekrutierungsengpässe für qualifizierte Positionen vermindern oder vermeiden. „Vergütung und Nebenleistungen wie die betriebliche Altersversorgung sollten im Hinblick auf Mitarbeiterbindung und -gewinnung überprüft und gegebenenfalls angepasst werden“, ergänzt Dr. Thomas Jasper, Leiter General Consulting bei Towers Watson. Gerade bei der Gestaltung von Pensionsplänen und Lebensarbeitszeitkonten sollten die Bedürfnisse alternder Belegschaften besonders berücksichtigt werden. So kann es gelingen, ältere Arbeitnehmer – beispielsweise mit einem gleitenden Übergang in den Ruhestand – länger arbeitsfähig im Unternehmen zu halten.


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