Sonntag, Juni 26, 2011

 

Führt die Schweizer Lehrlingslücke zu einem Krieg um Talente?

Die Lehrlingslücke - NZZ

Unternehmen kämpfen um jeden qualifizierten Schulabgänger

Der Wind hat gedreht: In gewissen Bereichen gibt es zu wenig gute Schulabgänger. (Bild: Karin Hofer / NZZ)Zoom

Der Wind hat gedreht: In gewissen Bereichen gibt es zu wenig gute Schulabgänger.(Bild: Karin Hofer / NZZ)

Jahrelang waren in der Schweiz die Lehrstellen knapp. Die Zeiten sind vorbei. Jetzt klagen die Unternehmen über fehlende Lehrlinge und kämpfen um jeden guten Schulabgänger. Sie bieten Auslandaufenthalte und Karrierepläne – und rekrutieren sogar Jugendliche im Ausland.

Von Michael Furger

Hans-Ulrich Bigler hat eine glänzende Militärkarriere gemacht. Sie führte ihn bis in den Rang des Generalstabsobersten und ins Amt des Vizepräsidenten der Offiziersgesellschaft. Nun befindet sich Hans-Ulrich Bigler im Krieg. Zumindest sagt er das. Bigler, auch Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, nennt es den «war for talents» – den «Krieg um Talente».

Seine Gewerbler müssen um ihren Nachwuchs kämpfen. Der Fachkräftemangel in der Schweiz ist auf dem Lehrstellenmarkt angekommen. Erstmals seit 2003, seit der Bund Zahlen zu diesem Markt erhebt, übersteigt das Angebot an Lehrstellen die Nachfrage. 20 000 Lehrstellen waren Mitte April noch unbesetzt. Und das laufende Jahr ist allen Prognosen gemäss erst der Anfang einer langen Durststrecke. In den nächsten zehn Jahren werden geburtenschwache Jahrgänge die Schule verlassen. Gleichzeitig verlangt die boomende Schweizer Wirtschaft nach mehr Nachwuchs. Aus der Lehrstellenkrise ist die Lehrlingskrise geworden.

Alle wollen die Talente, wie Bigler sie nennt: die Industrie, das Gewerbe, die Banken – und die Gymnasien. In den letzten Jahren mit grossen Schülerjahrgängen haben die Maturitätsschulen ihre Bestände stetig ausgebaut. 23 000 Jugendliche treten jährlich ins Gymi ein. Jetzt, wo die Zahl der Schulabgänger zurückgeht, füllen die Mittelschulen ihre Klassen immer noch wie eh und je. Der demografisch bedingte Rückgang der Anzahl Jugendlicher geht voll zulasten der Lehrbetriebe. Im Jahr 2020, so prognostiziert das Bundesamt für Statistik, werden gegen 6000 Jugendliche weniger eine Berufslehre beginnen als im Spitzenjahr 2009 – ein Rückgang um 8 Prozent. Aber es werden gleich viele Schüler wie heute ins Gymnasium eintreten. «Deswegen fehlen uns die guten Köpfe», sagt Chef-Gewerbler Hans-Ulrich Bigler.

Am härtesten betrifft der Mangel die technischen Berufe. Unglücklicherweise ist das genau jene Berufsgruppe, in der die meisten Lehrstellen besetzt werden müssen. 20 500 Ausbildungsplätze in technischen Berufen bieten die Unternehmen für den Lehrbeginn nach den Sommerferien an, erst 15 000 sind vergeben. Schon letztes Jahr verzeichnete der Verband für die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem für seine Branche einen Rückgang der Neuanstellung von Lehrlingen um 8 Prozent. Es fehlen Jugendliche an allen Ecken und Enden. Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallateure, Automatiker, Polymechaniker, Laboranten. Viele der Berufe stellen hohe Anforderungen. Gesucht sind die besten Sekundarschüler. Aber diese Schüler sind überall gefragt. Und so haben die Bemühungen der Verbände und der Betriebe um die Schweizer Jugend erstaunliche Ausmasse erreicht. Unternehmen werben an Gewerbemessen. TV-Spots werden geschaltet, Plakatkampagnen lanciert. Die Metallunion engagierte 2009 den Mundart-Rapper Bligg. Er sollte mit Sprechgesang seine Fans zum Ergreifen einer Lehre motivieren. «Du bisch en Maa, wän'd chasch s'Ässe uf de Tisch zaubere», redete der Musiker den Schweizer Männern ins Gewissen. Die Wirkung des Lehrlings-Rap war bescheiden.

Lehrlinge aus Deutschland

Wer kann, weitet sein Rekrutierungsgebiet aus, auf die ganze Schweiz – und bis ins Ausland. Die Pharmabranche in Basel stellt Lehrlinge aus Deutschland und Frankreich an. «Der Schweizer Markt ist für anforderungsreiche Berufe wie Chemie- oder Biolaborant zu klein», sagt Martin Oppliger, Berufsbildungskoordinator von Novartis. Von den 300 Novartis-Lehrlingen in der Schweiz kämen 20 bis 30 Prozent aus dem nahen Ausland. Ähnlich hoch ist der Ausländeranteil bei den Lehrlingen von Roche und Syngenta. Jugendliche, die in Deutschland wohnen und in der Schweiz eine Lehre machen, kennt man auch in anderen Grenzkantonen wie Aargau und Zürich.

Die jungen Grenzgänger fallen unter anderem durch ihre Leistungen und ihr höheres Alter auf. Viele bringen ein Abitur mit. An den Berufsschulen werden sie daher vom allgemeinbildenden Unterricht (Sprachen, Staatskunde, Wirtschaft) dispensiert, gleichwohl erreichen sie an den Lehrabschlussprüfungen Spitzenleistungen. Abschlussnoten von 5,5 sind nicht selten.

Im Kampf um den Superlehrling geraten Schweizer Gewerbler ins Hintertreffen, weil sie leistungsstarken Jugendlichen nicht das bieten können, was globale Konzerne offerieren. Novartis ermöglicht ihren Nachwuchsleuten nach der Lehre ein Auslandjahr in einer ihrer Niederlassungen. Das Maschinenunternehmen Bühler in Uzwil schickt seine besten Polymechaniker und Apparatebauer schon nach dem zweiten Lehrjahr für zwei Monate ins Ausland, in seine Niederlassungen in China oder Südafrika. Die Lehrlinge pauken dafür ein halbes Jahr lang Fremdsprachen und Landeskunde. Den Stoff an der Berufsschule lernen sie während ihres Aufenthalts über eine Internetplattform. Wer solche Perspektiven bietet, hat wenig Grund zur Sorge. Firmen wie Novartis und Bühler haben keine Probleme, ihre Lehrstellen zu besetzen. Das gilt auch für Betriebe, die kaufmännische Lehren anbieten – nach wie vor der beliebteste Lehrberuf in der Schweiz. Vor allem die Grossbanken werden von Bewerbungen für KV-Lehrstellen überschwemmt.

Die kleineren Betriebe können oft nur noch mithalten, wenn sie schneller sind. Die Rekrutierung beginnt immer früher: Bis vor wenigen Jahren einigten sich die Unternehmen im sogenannten Fairplay-Abkommen darauf, vor dem 1. November keine Lehrstellen für das Folgejahr zu vergeben. Das Abkommen ist längst gebrochen. Heute beginnt das Rekrutieren in der Deutschschweiz oft schon im August, ein Jahr vor Lehranfang. Einige Arbeitgeber sind noch schneller. Der Kaufmännische Verband weiss von Lehrverträgen, die noch weit früher unterzeichnet wurden. Der Verband selbst hält sich eisern an die Fairplay-Regeln und wurde dafür bestraft. Er schrieb seine beiden Lehrstellen im September aus und lud für den November die 20 besten Bewerber ein. 80 Prozent sagten ab. Sie hatten in der Zwischenzeit bereits einen anderen Vertrag unterschrieben.

So gut wie ein Uni-Absolvent

Die frühe Rekrutierung verfolgt man im Bundesamt für Berufsbildung und Technologie mit Sorge. «Die Interessen können bei einem 13- bis 14-Jährigen innerhalb eines Jahres komplett ändern», sagt Amtschefin Ursula Renold. Wer zu früh unterschreibe, vergebe die Chance, seinen Traumberuf zu entdecken. Sie vermutet, dass frühe Vertragsabschlüsse zu mehr Lehrabbrüchen führen können. Detaillierte Daten zu Lehrabbrüchen gibt es jedoch noch nicht. Sie werden erst ab diesem Jahr mithilfe eines neuen statistischen Instruments erhoben.

Renold hat sich sieben Jahre lang für mehr Lehrstellen eingesetzt. Jetzt, wo das Angebot steigt, hat sie ein paar neue Probleme. Und vielleicht auch ein paar alte. Denn ob die Schulabgänger mit schlechten Schulnoten oder ausländischen Wurzeln nun bessere Chancen auf dem Lehrstellenmarkt haben, ist noch ungewiss. Noch immer sind über 20 000 in Warteschlaufen.

Weit weg ist da die Welt der Superlehrlinge bei globalen Konzernen. Wenn etwa die Lehrabsolventen von Novartis zum Auslandjahr in der Firmenniederlassung in Boston eintreffen, können die dortigen Kader jeweils kaum glauben, was sie sehen. Die Schweizer Bio- und Chemielaboranten haben, so heisst es, dasselbe Niveau wie ein amerikanischer Hochschulabsolvent mit Bachelor-Abschluss.

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Sonntag, Juni 12, 2011

 

Operationelles Risiko: Hacker attackieren IWF

Spionageverdacht: Hacker attackieren IWF - ARD

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist Ziel eines Hacker-Angriffs geworden. Der Fonds habe Ermittlungen eingeleitet, wie es zu der Cyber-Attacke kommen konnte, erklärte ein IWF-Sprecher und bestätigte damit entsprechende Medienberichte. Die Arbeit der Organisation sei durch den Hacker-Angriff aber nicht beeinträchtigt. Über das Ausmaß des Schadens machte er keine Angaben.

Logo des Internationalen Währungsfonds (Foto: picture alliance / dpa)Großansicht des BildesHacker versuchten offenbar an Insider-Informationen beim IWF heranzukommen.Ein Sprecher der Weltbank sagte, man habe alle Netzwerk-Verbindungen zur Schwester-Organisation gekappt. Es handle sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme. Das FBI leitete eine Untersuchung ein. Die Bundespolizei arbeite eng mit dem IWF zusammen, erklärte eine Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums. Das FBI selbst lehnte eine Stellungnahme ab.

Heimliche Installation von Software

Nach Angaben des Internet-Sicherheitsexperten Tom Kellermann, der auch für den IWF und die Weltbank gearbeitet hat, zielte der Hackerangriff darauf, heimlich eine Software zu installieren, um einem bestimmten Staat Zugang zu Insider-Informationen des IWF über andere Länder zu verschaffen.

Nach einem Bericht von "Bloomberg News" hätten die Hacker im Auftrag einer bestimmten Regierung gehandelt, wobei E-Mails und weitere Dokumente verloren gegangen seien. Um welche Regierung es sich handle, sei noch unklar.

Hackerangriffe mehrfach in den vergangenen Monaten

Die "New York Times" berichtete, das Computer-System des IWF sei in den vergangenen Monaten wiederholt von Hackern attackiert worden. Es habe sich um großangelegte und äußerst komplexe Cyber-Angriffe gehandelt. Das IWF-Direktorium sei darüber am Mittwoch informiert worden.

Der IWF ist eine Art globale Finanzfeuerwehr und unterstützt hochverschuldete Staaten mit Krediten, wobei das Empfängerland im Gegenzug meist unpopuläre Reformen umsetzen muss. Die Mitarbeiter des IWF erhalten dabei in der Regel Zugang zu sensiblen Wirtschaftsdaten des jeweiligen Landes. In der Organisation sind 187 Mitgliedsstaaten vertreten.

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